Was ist ein Trauma?

Der Begriff „Trauma” kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Verletzung”.

Zum Trauma wird ein Ereignis dann, wenn wir uns durch es hilflos, ausgeliefert und von ihm überwältigt fühlen.

Traumatisierende Ereignisse können dabei sehr unterschiedlicher Natur sein; so können z. B. Verkehrsunfälle, Operationen, schwere Krankheiten, Verletzungen, ein Hundebiss, der Verlust eines nahen Menschen, Traumatisierungen auslösen, aber auch Vernachlässigung in der Kindheit, pränatale Bedrohung im Mutterleib, Krieg, Naturkatastrophen oder sexualisierte Gewalt. Auch scheinbar gewöhnliche Ereignisse wie medizinische Behandlungen, Stürze oder schon das Miterleben von Gewalt im Fernsehen können traumatisieren.

Tiere in freier Wildbahn kennen keine Traumatisierung. Ist ein angegriffenes Tier erfolgreich geflohen, hat es die gesamte mobilisierte Energie in der Flucht verbraucht. Es erholt sich, ohne für den Rest seines Lebens Schaden zu nehmen. Selbst wenn die Flucht nicht gelingt und der „Totstellreflex”, also das Erstarren als letzte Option, dazu geführt hat, dass der Angreifer das Interesse verloren hat, erwacht es aus seiner Erstarrung, zittert, schüttelt sich den Stress aus dem Körper, rennt, erholt sich und lebt weiter, als wäre nichts geschehen.

In Gefangenschaft können dagegen auch Tiere traumatisiert werden. Ist es ihnen nicht möglich, ihre natürlichen körperlichen Reaktionen auf eine Bedrohung erfolgreich zu Ende zu bringen, etwa weil sie eingesperrt sind und es keine Möglichkeit zur Flucht gibt, bleibt die Überlebensenergie im Körper stecken und führt auch bei Tieren zu typischen Symptomen einer Traumatisierung wie z. B. Panik, Dissoziation, Schreckhaftigkeit und leichte Erregbarkeit.

In einer als bedrohlich empfundenen Situation läuft im Organismus automatisch ein Notprogramm ab, in dem eine immense Energie mobilisiert wird – je nach Aussicht auf Erfolg entweder für den Kampf oder für die Flucht. Führt keine der beiden Strategien zum Erfolg, reagiert das Nervensystem mit Erstarrung oder Kollabieren. Erst wenn die dabei mobilisierte Energie vollständig entladen wurde, ist für den Körper die Gefahr vorbei. Findet dies nicht oder nur unvollständig statt, bleibt er weiterhin in Alarmbereitschaft. Die Überlebensenergie wird im Nervensystem gebunden und es entsteht ein Trauma.

Bei einem Trauma geht es um den Verlust der Verbindung zu uns selbst, zu unserem Körper, zu unseren Familien, zu anderen Menschen und zu der uns umgebenden Welt.“

Peter A. Levine